Der nächste Halt unserer gemeinsamen Reise, die seit unserem Start in Leipzig bekanntlich unter dem Motto „Hier sind die Onkelz“ steht, ist das 260 Kilometer entfernte Hannover. Als euer Reiseführer bin ich natürlich auch für eure kulturelle und historische (Onkelz-)Bildung in jeder Stadt verantwortlich. Was war denn gleich nochmal in Hannover? Vielleicht erinnert ihr euch noch an das unrühmliche Konzert im August 2003 im Vorprogramm der Rolling Stones auf dem Expo-Gelände. Damals gab es im Vorfeld große Proteste gegen den Auftritt der Onkelz und anschließend eine desolate Vorstellung von Kevin. Der Rest ist Geschichte. Legendärer waren da schon die beiden Shows im September 2022, die als „Unterhosen-Gate“ dem einen oder anderen bis heute in Erinnerung geblieben sein dürften. Auf der damaligen Tour hatte Stephan in Berlin scherzend gesagt, dass die Band nach 42 Jahren darauf warte, dass endlich mal Männerunterhosen auf die Bühne geworfen werden. Am Ende des Abends in Hannover trug Kevin dann nur folgerichtig eine weiße Unterhose auf dem Kopf. Den dazu passenden Konzertbericht nebst Bildern findet ihr übrigens zum Nachlesen auf unserer Website.

Hannover hat aber nicht nur weiße Unterhosen zu bieten, sondern auch zahlreiche schöne Lauf-/Fahrradstrecken und eine beachtliche Seenlandschaft in der Umgebung. Bei dieser Tour haben wir zum Start in Leipzig eine kleine Sportgruppe innerhalb der Crew gegründet, die von unserem Coach Robert angeführt wird. Robert hat für jede Stadt akribisch ein Städte- und Sportplan definiert, der unsere müden Körper während der Tour fit halten soll und den wir selbstverständlich ohne Widerspruch umsetzen, denn Robert kennt leider kein Erbarmen. Während Stephan also die Landschaft um Hannover, wie auch schon in Leipzig, mit dem Fahrrad erkundete, machten wir uns parallel auf einen Spaziergang zum Maschsee. Auf dem Plan stand heute die angenehmen 2 Grad Wassertemperatur für ein kleines Bad im See zu nutzen. Was noch zu Beginn der 5 Kilometer Wanderung wie ein lustiger Scherz anmutete, wurde mit jedem Kilometer zum bitteren Ernst. Soll ja schließlich gut fürs Immunsystem sein und auch den Kopf frei machen, redete ich mir ein. Nachdem wir diese Nahtoderfahrung, unter den verwirrten Blicken einiger Schaulustiger überstanden hatten, ging es für uns auf direkten Weg zur Halle und ins Büro. Bereits seit den frühen Morgenstunden hatten sich hier vor der Halle, wie bei jeder Onkelz-Tournee, einige hartgesottene Fans versammelt, um ihren Platz in der ersten Reihe zu sichern. Was im Sommer noch als spannendes Abenteuer durchgeht, wenn man bereits um 5 Uhr morgens vor der Halle gastiert, ist im Winter bei Minusgraden eine echte Tortour. Respekt und Anerkennung für jeden Einzelnen von euch!

Wie bereits 2022 war die ZAG Arena auch in diesem Jahr organisatorisch wieder ganz vorn mit dabei. Freundliches Personal, das ihre Aufgaben kennt und beherrscht, führten im Ergebnis auch in diesem Jahr zu einem reibungslosen Ablauf beim Einlass. Die Stimmung unter den Fans war daher bereits von Beginn an ausgelassen und voller Vorfreude auf die beiden kommenden Abende mit den Onkelz. Pünktlich um 20:45 Uhr war es dann soweit – Licht aus, die Onkelz sind im Haus! Mit „Hier sind die Onkelz“, „Finde die Wahrheit“ und „Gehasst, verdammt, vergöttert“, setzt die Band Abend für Abend auf dieser Tour bereits in den ersten 15 Minuten ein Statement, dass ihnen live noch immer der Funken von der Bühne auf die Fans gelingt. Gerade „Gehasst, verdammt, vergöttert“ wird von Gonzo mit so einer großen Spielfreude und Leidenschaft vorgetragen, dass es mir immer und immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert, ihm dabei zuzuschauen.

Unter meinen fünf Lieblingssongs dieser Tour befindet sich mit „Wenn du wirklich willst” eine echte Rarität. Das Stück der „Viva los Tioz“ aus dem Jahr 1998 stand bis heute nur ganze fünfmal auf der Setlist. Dabei ist die Komposition live ein echtes Brett, finde ich. Insbesondere das Solo, das Gonzo mit der Präzision eines Uhrmachers spielt, die Harmonien, die wie ein Gedicht zueinander passen. Das ist ganz großes Kino! Ich erinnere mich auch noch gut daran, wie oft mir „Wenn du wirklich willst“ in schwierigen Lebenssituationen, bei Entscheidungen und Krisen Halt gegeben hat. „Beginne dich zu lieben, und du findest, was du suchst“ wird auch in den nächsten Jahrzehnten, über Generationen hinweg, als Credo fürs Leben taugen.

Zum ersten Mal auf dieser Tour 2025, haben wir übrigens seit Hannover den Modus bei „Terpentin“ umgestellt. Vormals war das Messkriterium für unseren kleinen Tour-Contest die Länge der „Ooooohs“, was uns regelmäßig jede zeitliche Planung gesprengt hat. Vor diesem Hintergrund, werden wir ab sofort, die Lautstärke statt die Länge messen. Konkret heißt das, wir beginnen die Messung nach dem letzten Ton von „Terpentin“ für exakt eine Minute. Die gemessene Dezibelzahl (dB) zeigen wir euch dann live auf den Screens. Wer am Ende in diesem Jahr der lauteste Chor der Tour war, bekommt unseren imaginären Wanderpokal, viel Anerkennung und natürlich fünf Minuten Ruhm. Hannover setzt sich mit starken, gemessenen 106,8 dB an die Spitze der diesjährigen „Hier sind die Onkelz“-Tour 2025.

Wenn wir schon bei den etwas seltener live gespielten Songs sind, möchte ich „Wer nichts wagt, kann nichts verlieren“ nicht unerwähnt lassen. Für mich live ein echter Geheimtipp. Während die Klassiker „Gehasst, verdammt, vergöttert“ oder „Mexico“ bis heute auf über 170 Setlisten standen, war „Wer nichts wagt, kann nichts verlieren“ mit 18 gespielten Shows eher seltener im Programm. Exitus. Seine Uraufführung hatte das gute Stück passenderweise übrigens vor 30 Jahren in der Music Hall in Hannover, die es allerdings seit Ende 1998 schon nicht mehr gibt.

Was insbesondere am zweiten Tag in Hannover nahezu in Perfektion zu sehen und zu fühlen ist, ist die Symbiose zwischen der Band und ihren Fans. Psychologisch entsteht Identität immer im Spiegel des Anderen. Übertragen auf ein Onkelzkonzert, sieht sich die Band in den Augen ihrer Fans und diese wiederum finden sich in den Songs der Band. Jeder hält dem anderen so den Spiegel hin. Ohne diesen Spiegel, ohne diese Symbiose, wären beide Seiten nur Fragmente. Die Identität der Onkelz und die Identität der Fans sind zwei Seiten derselben Geschichte und genau das macht es so besonders und einzigartig. Wer auf der Suche nach Identität, Intensität und purer Euphorie ist, der wird hier fündig und dafür war Hannover ein beeindruckendes Beispiel, vor allem am zweiten Abend.

Abschließen möchte ich mit zwei Themen, die mir/uns wirklich sehr am Herzen liegen. Das erste Thema ist das Becher werfen, das wir auch auf dieser Tour leider immer wieder sehen. Bei allem Verständnis für Euphorie und Freude, macht das Werfen von Bechern aus keiner erdenklichen Perspektive Sinn. Schon gar nicht aus der Gesundheitlichen. Wir hatten erst jüngst einen Fan, der nach einem Becherwurf mit einem Schädel-Hirn-Trauma im Krankenhaus gelandet ist. Wir haben mittlerweile mehrere Generationen an Fans, darunter viele Kinder und auch ältere Menschen. Wir möchten, dass jeder, der ein Onkelz-Konzert besucht, anschließend wieder gesund und unversehrt zu seiner Familie zurückkehren kann. Deshalb lasst das werfen von Bechern bitte!

Das zweite Thema ist das Thema Kartenkauf. Immer wieder erreichen uns Nachrichten von geprellten Fans, die hunderte Euro für vermeintliche Karten bei Drittanbietern gezahlt haben und diese nie erhalten haben. Deshalb nochmal der eindringliche Hinweis: Nutzt bitte ausschließlich unsere offiziellen Kanäle und die dort geteilten Links zum Ticketkauf. Anderenfalls habt ihr keinerlei Sicherheit, die Tickets überhaupt zu bekommen, oder aber ihre Echtheit sicherzustellen.

Was unterm Strich nach den beiden Konzerten in Hannover übrig bleibt, ist pure und ehrliche Glückseligkeit. Sowohl auf Seiten der Fans, die mir auf dem Weg nach draußen noch entgegenkommen, als auch bei der Band & Crew. Stephan feiert in Hannover sein 500. Konzert auf der Bühne und es hätte kaum ein schöneres Jubiläum geben können.

Hannover, ihr wart großartig! Wir danken euch.

📝// Marco Matthes

📸 // Christian Thiele