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Mein Blick wandert von meinem Laptop hoch zur Uhr über der Tür: 0:38 Uhr und schon wieder wird ein Konzert mit dem letzten Ton ein Teil der Geschichte dieser Tour. Ein weiteres Kapitel, verewigt in diesen Zeilen und Bildern. 12 von 18, denke ich etwas wehmütig. Wobei, es ist ja ohnehin nichts für die Ewigkeit, kommt es mir in den Sinn. Hätte ich es vielleicht wissen müssen? Gut, lassen wir das lieber. Mit Leipzig endeten nun auch unsere Gastspiele im Osten der Republik, die allesamt auf ihre Art besonders waren. Auch wenn ich als gebürtiger Brandenburger auch ein Kind des Ostens bin, kann ich dennoch mit diesem Ost-West-Gehabe so gar nichts anfangen. Ganz besonders wenig mit den damit verbundenen Klischees und Schubladen. Nach Dresden, Erfurt, Rostock und Chemnitz stand nun also in Leipzig das große Finale für die Frage an, welche Stadt im Osten Deutschlands den Onkelz-Tour-Wanderpokal für sich beanspruchen würde. Nach der doch eher etwas turbulenten Show in Chemnitz war ich schon sehr gespannt, wie sich Leipzig präsentieren würde. 

Bevor ich aber zu Leipzig komme, möchte ich einen kurzen Schwenk zurück nach Rostock machen. In den Kommentaren auf unseren Profilen lese ich dieser Tage immer wieder von Forderungen nach einem Statement zu den Ereignissen unsererseits. Dazu möchte ich zunächst mal festhalten, dass wir schon gern selbst entscheiden, zu welchen Themen wir uns äußern und das wird auch so bleiben. Ich lese aber eben auch zunehmend von dadurch verunsicherten Fans, die ob der teils völlig überzogenen Kommentare, gepaart mit diversen reißerischen Zeitungsartikeln, sich nun etwas Sorgen machen, mit ihren Freunden oder Familien eine der kommenden Shows zu besuchen. Das bringt mich dazu, mal etwas Objektivität in die Debatte zu bringen und die Geschehnisse einzuordnen. Es gab in Rostock während des Konzerts nach unserer Kenntnis fünf Körperverletzungen, die von den anwesenden Sanitätern behandelt wurden. Fünf auf 10.000 Besucher! Von diesen fünf Behandlungen konnten vier Fans das Konzert ganz normal weiterschauen. Später wird der Leiter des Sanitätsdienstes vor Ort konstatieren, dass es sich hier um ein stinknormales Rockkonzert gehandelt habe. Ein Fan musste ins Krankenhaus zur weiteren Behandlung gebracht werden. Diesem Fan wünschen wir an dieser Stelle selbstverständlich gute Besserung! Das bedeutet aber auch, dass mehr als 9.990 Fans an diesem Abend in Rostock ein tolles Onkelz-Konzert erlebt haben. Wir haben auf der gesamten Tour bis dato mehr als 120.000 Fans gesehen und lediglich in Rostock und Chemnitz hatten zwei Hände voll offenbar atrophierte Hoden. Wir müssen die Kirche jetzt auch mal im Dorf lassen, Freundinnen und Freunde. Lasst euch bitte zudem nicht dazu hinreißen, auf diese Clickbaiting-Maschinerie in der Presse reinzufallen. Dass der Begriff “Onkelz”, gepaart mit martialischen Headlines, viele Klicks und Abonnenten generiert, hat mittlerweile auch die letzte Regionalzeitung verstanden. Wenn es etwas zu sagen gibt, dann sagen wir es auf unseren offiziellen Kanälen. Damit ist dann auch alles gesagt.

Zurück nach Leipzig. Dort kommen wir noch in der Nacht an, weil Chemnitz und Leipzig lediglich nur knapp 90 Kilometer trennen. Gefühlt hab ich mich gerade das zweite Mal im Nightliner umgedreht, da stehen wir bereits vor der Messehalle I. Fun-Fact für die Statistiker unter euch: Auch auf der Memento-Tour 2016 war Leipzig übrigens das 12. Konzert. Ein gutes Omen, sechs Jahre später?

Die Messehalle bietet genügend Platz, um darin wieder die gesamte Bühnenkonstruktion aufzubauen. Hier finden in der Spitze 15.000 Zuschauer Platz. Die Halle versprüht mit ihrer Glasfront in Kombination mit den Stahlverstrebungen und dem Brunnen vor der Tür ein bisschen Doppelpass-Romantik, macht insgesamt aber einen sehr aufgeräumten, erhabenen Eindruck. In Leipzig feierte ich übrigens mein persönliches Onkelz-Konzertdebut, auf der Tour 2000, das war mittlerweile vor 22 Jahren. 

Die ersten Fans, die mittlerweile fast zum Tour-Inventar gehören, stehen bereits um 8 Uhr vor der Halle. Das sind 9,5 Stunden vor dem offiziellen Einlass. Völlig verrückt! Schlaft ihr eigentlich auch? Der Vorplatz zur Halle ist dann später, an diesem sonnigen Freitagabend, bereits gut gefüllt, als um 17:35 Uhr wieder der große Sprint auf die erste Reihe beginnt. Vom Einlass geht eine Treppe nach oben in die Halle, was den Schwierigkeitsgrad für das Rennen etwas erhöht. Die teilnehmenden Läufer in Leipzig nehmen diese Hürde aber spielend und so füllt sich die Halle schnell. Ohnehin machte die gesamte Szenerie in Leipzig an diesem Abend einen sehr entspannten Eindruck. Wobei die Stimmung insgesamt, rund sechs Jahre nach unserem letzten Besuch hier, von Anfang an nicht hätte besser sein können. 

Und so kam es, wie es irgendwie auch kommen musste: Leipzig fackelte nicht lange und legte noch vor Kevins obligatorischen “Jaaaaaaaaa” direkt los mit der Chorstunde. Mit “Hier sind die Onkelz” und “So sind wir” entlädt sich dann bereits die angestaute Energie der vergangenen Jahre, wie ein geöffneter Staudamm. Die dabei freigesetzte Energie resoniert zurück auf die Bühne und wird von den Onkelz dankend aufgenommen. Seit zwölf Abenden geht das so! Seit zwölf Abenden auf dieser Welle, mit dieser Energie und Leidenschaft. Jeden Abend strahlende Gesichter, jeden Abend Tränen. Jeden Abend die unterschiedlichsten Menschen in den ersten Reihen. Alt, jung, arm, reich, Herkunft, völlig egal. Die Onkelz sind dein Katalysator für die Freisetzung deiner Gefühle und diesen Job erfüllen sie auf dieser Tournee bisher mit Bravour und meine Fantasie reicht nicht aus, mir vorzustellen, was die vier Frankfurter dabei stoppen kann.

Ich könnte jetzt seitenlange Abhandlungen darüber schreiben, wie sich die “Stunde des Siegers” angefühlt hat, der Chor, euer Pogo. Wie ihr “Keine Amnestie für MTV” abgefeiert habt, oder “Auf gute Freunde”. Geschenkt! Vergrabt eure Eindrücke, die Bilder und Emotionen ganz tief in eurem Hippocampus! Diese Tour avanciert zu einem einzigen Triumphzug durch die Republik.

Leipzig, du warst für mich Balsam für die Seele, ohne dabei langweilig zu sein. Du warst stimmungsgeladen, energetisch und euphorisch, ohne übertrieben zu sein. Wir sind alle nach der Show mit einem breiten Grinsen in unsere Busse gestiegen und das verdanken wir allein dir. Danke, dass du heute Abend auf so wunderbare Art und Weise, Stimmung, Pogo und “La Familia” miteinander vereint hast. 

Wir sehen uns wieder, Leipzig!

Text // Marco Matthes

Fotos // Christian Thiele

Illustrationen // Lennart Menkhaus

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