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Es ist Herbst ´84, als die Onkelz erneut in West-Berlin sind. Über ein paar Ecken hatte die Band Tabea Blumenschein kennengelernt, die einen Film über Punks und Skinheads drehen will und fragt, ob die Onkelz nicht Lust hätten, ein Teil dieses Films zu sein. Die Band muss nicht lange überlegen und ist sofort Feuer und Flamme. Als Tabea ihnen auch noch anbietet, neben „Die tödliche Doris“, einer Berliner Punk-Band, den Titelsong zum Film beizusteuern, gibt es bei den Onkelz kein Halten mehr. Irgendwo musste es doch einen Haken an der Geschichte geben. Zu gut hatte sich das Angebot von Tabea angehört.

Und tatsächlich, es gab einen Haken, den die Onkelz allerdings erst bemerken, als es schon zu spät ist: Der Film „Zagarbata“ ist an Absurdität nicht zu überbieten. Die Dialoge und die Szenerie des Films sind so seltsam , dass es keine beschreibenden Worte dafür gibt, um auch nur annähernd wiederzugeben, was da vor sich geht. Es ist eine filmische Aneinanderreihung geistiger Kuriositäten einer Regisseurin, die nicht aus dem gewohnten Umfeld des Genres zu sein schien. Egal was sie zu sich nahm, es war definitiv die falsche Dosis.

Der Film „Zagabarta“, der 1985 vom ZDF in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ ausgestrahlt wird und der die Böhsen Onkelz in seiner Anfangssequenz für 4 Minuten während eines gestellten Gigs im Berliner „Loft“ zeigt, gilt mit Recht (?) als der schlechteste Film, der jemals über Punks und Skinheads gedreht wurde. Später wird der Film oft von den Medien im Fernsehen fälschlicherweise als „Böhse Onkelz Film“ zitiert und muss oft herhalten als einziges Archivmaterial, das die Böhsen Onkelz als Skinheadband auf einer Bühne zeigt.

Neben Gonzo, der nach zwei Wochen Militärknast unehrenhaft aus der Marine geflogen war, musste auch Kevin die „MS Arnis“ verlassen. Immer wieder gab es Zwischenfälle mit Kevin, die in einem Arschtritt eines türkischen Arbeitskollegen gipfelten. Unglücklicherweise war nämlich dieser türkische Kollege von Board gefallen und musste aus dem Meer geborgen werden. Dem Zufall sei dank, dass er unverletzt blieb. Für Kevin bedeutet der Vorfall das Ende aller Hoffnung zur See zu fahren. Der Gedanke, wieder zurück nach Hösbach zu seiner Mutter zu müssen, reißt ihm den Boden unter den Füßen weg. Ein Boden, der durch Wut, Hass und Albträume ohnehin schon viel zu glatt war, um auf ihn Halt zu finden. In Frankfurt angekommen, fährt Russell auf direktem Weg zu Monika, Stephans Schwester, mit der er seit einiger Zeit zusammen ist. Moni wohnt mit ihrer Mutter zusammen in Offenbach und hatte ihren Schulabschluss verpasst. Wäre sie zum Sozialamt gegangen, um monetäre Unterstützung zu erhalten, wäre dort sofort aufgefallen, dass ihre Vater, Tex, keinen Pfennig Unterhalt an sie zahlte. Aus diesem Grund schlägt sie sich mit Gelegenheitsjobs durch. Kevin hatte ihr, als er auf See war, immer wieder Briefe und Bilder geschickt, die sie sehr aufwühlten. Stephans Schwester ist zu dem Zeitpunkt ein sensibles Mädchen mit Anfang 20, das sich nicht sehnlicher wünscht, als mit Kevin Russell zusammenleben zu dürfen.

Ebenfalls wichtig: Während Kevin sich in der Skinheadszene aufgehoben, geborgen fühlt und der Meinung ist, dass er es mit einer wirklichen großen Familie zu tun hat, erkennen die drei anderen Musiker, Stephan allen voran, dass auch diese Szene ihre eigenen Schubladen hat und im krassen Gegensatz zu seinem Freiheitsgefühl steht. Der „Frankreichüberfall“ vom Sommer ist so etwas wie die Initialzündung zum Reflektieren gewesen. Die Vorschriften und Dresscodes, die Breite der Hosenträger, das Markenbewußtsein der „Glatzen“, vom Fred Perry Hemd zu den Doc Marten’s Schuhen, von der Sta Prest Jeans zu den Bomber Jacken, das alles fängt sehr schnell an zu nerven. Zum Jahreswechsel 84/85 legen Pe, Gonzo und Stephan die Hosenträger wieder ab und lassen die Haare wachsen.