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Es ist der Abend des Fußball-WM-Spiels Deutschland-Vereinigte Arabische Emirate.

5:1 triumphiert die Beckenbauer Elf und in der 28 fliegen die Bierdosen durch die Wohnung. Man beschließt diesen fulminanten Sieg noch etwas ausufernder zu feiern – im „Speak Easy“, dem damaligen zweiten Wohnzimmer der Band. Trimmi muss überredet werden. Er verspürt nicht so den Drang, jetzt noch in die Stadt zu fahren und Gas zu geben. Gemütlich will er es angehen lassen. Kevin und seine raubeinigen Kumpel reden auf ihn ein, schließlich folgt er ihnen. In Kelkheim feiern währenddessen Stephan, Pia und Pe den 26. Geburtstag Pe`s. Unweit davon weg wartet Monika Weidner auf Kevin und Trimmi, die sie beide zum Essen eingeladen hatte. Sie wartet vergeblich. Kevin vergisst das Essen, vergisst die Tatsache, dass Moni schon am nächsten Morgen mit Mutter Weidner nach Lanzarote fliegen will. Das alles ist ihm für den Moment des Feierns scheißegal. Stephan, Pia und Pe genießen den Abend in Stephans Haus, dicht am Waldrand in Kelkheim. Diese Ruhe, diese Idylle. Auch wenn das WM Ergebnis bislang allen Grund bietet, ein paar Flaschen zu öffnen, zieht die drei nichts in die Stadt. Pe hatte ja von jeher nicht das Bedürfnis, auf Teufel komm raus Party zu machen und Unruhe zu stiften, an diesem Abend aber schon gleich gar nicht. Irgendwann nachts, es muss zwischen drei und halb vier gewesen sein, Pe war da schon lange wieder zuhause, klingelt das Telefon in Weidners Haus. Kevin ist dran. Noch ehe Stephan im Stande ist, ein Wort zu sagen, keucht Russell hektisch und hörbar aufgelöst, ein paar Befehle in die Muschel: „Komm sofort hierher. Es ist was passiert. Beeil dich!“ Stephan muss nicht zweimal überlegen. Auch wenn sein Sänger und „bester“ Freund ein Bilderbuch-Chaot war: Nie hatte er sich ernster angehört, als in diesem Moment.

In der 28 angekommen, bietet sich Stephan ein Bild des Grauens. Freunde, Kollegen, Bekannte sitzen zusammen um den Wohnzimmertisch verteilt, weinen, trauern. Das ist es: Sie betrauern jemanden. Kevin sieht aus, als hätte er mit dem Tod höchstpersönlich ein Stelldichein gehabt. Blutverschmiert, leichenblass, nicht mehr Herr seiner Sinne. Weidner begreift sofort, dass es Trimmi erwischt hatte.

Am Ende zählen nur noch Fakten. Andreas „Trimmi“ Trimborn, der Mann der eintausend (lustigen) Gesichter, der, der immer friedlich und besonnen und gut gelaunt war, er wurde Opfer eines Mordes. Noch auf dem Weg von der Toilette zurück in die Kneipe bekam er von einem Bundeswehr Zeitsoldaten ein Jagdmesser in die Brust gestochen, angeblich aus Notwehr. Angeblich, so wird der Mörder Trimmis später vor Gericht aussagen, wäre er von ihm mit einem Bierseidel bedroht worden. Das war lachhaft. Trimmi wankte. Auge und Winter, zwei der damaligen engsten Freunde Kevins und Trimborns, stürzten sich auf den Soldaten und seine nicht minder aggressive männliche Begleitung, kassierten selbst Messerstiche, prügelten die zwei aber windelweich, rissen dem Täter sogar ein Stück seines Ohrs ab. Dann ließen sie ab und rannten auf die Straße, wollten unbedingt gucken, was mit Andreas los war. In all der Hektik und handfesten Panik, die jetzt im „Speak Easy“ um sich griff, nutzten die beiden übel zugerichteten Typen die Gunst der Stunde und flüchteten – ließen das Tatmesser mitsamt ihrer Fingerabdrücke aber an Ort und Stelle zurück.

Kevin konnte nur gucken, begreifen konnte er nicht. Russell drückte Trimborn auf der Straße an sich. Die Zeit schien still zu stehen. Noch bevor der Notarzt eintraf, verblutete Andreas „Trimmi“ Trimborn in den Armen Kevins. Mit seinem Tod verlor die Band ihre Unschuld. Mit seinem Tod rutscht Kevin in ein so tiefes Loch aus Selbsthass, Selbstzerstörung, unstillbarer Wut und Sucht nach jeder Droge und jeder Sorte Alkohol, die nicht schnell genug vor ihm flüchten können. Ein weiteres Schlüsselerlebnis, das die Band zwar unzertrennlich zusammenschweißt und viel Material für neue Lieder gibt, („Nur die besten sterben jung“, „Ganz egal“ 1991, „Das Messer und die Wunde“ 1993, „Der Platz neben mir“ 1998) aber gleichzeitig auch dafür sorgt, dass Kevin ganz und gar im Drogensumpf versackt. Fürs erste aber… Fürs erste drehten sich seine und die Gedanken all seiner Freunde ausschließlich um Rache.

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