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Oktober 1998. Deutschland im Herbst. Die komplette Band findet sich ab August in den Dropzone Studios in Frankfurt ein, um dort jeweils von montags bis donnerstags zu üben.

Ab dem 04. Oktober heißt es dann bundesweit (und erstmals auch in Südtirol und Frankreich): Onkelz auf Tour.

Die erste Hallentour seit der sensationell erfolgreichen 1996er Tournee. Damals das erste Mal in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle. Zwei Jahre später nimmt man diese Hürde ganz locker, bucht noch die platztechnisch beinahe ebenbürtige, frisch eröffnete Arena in Oberhausen, sowie 24 andere Städte und Hallen dazu, und schon bekommt man unterm Strich die bislang größte Böhse Onkelz Tour, die jemals gefahren wurde. Mit dem denkwürdigen Nummer Eins Chart Entry der „VIVA LOS TIOZ“ im Rücken, erreichen die Vorverkaufszahlen schwindelerregende Höhen und die gebuchten Hallen eine Auslastung von weit über 90 Prozent. Als Support Act fährt 1998 die New Yorker Hardcore Band „Pro-Pain“ mit, zu denen noch Jahre später eine enge Freundschaft bestehen soll.

Die Band ist in einer fantastischen Verfassung. Für Stephan, Gonzo und Pe ist es seit jeher Ehrensache, sich auf die Konzerte vorzubereiten, Sport zu treiben und den Umgang mit ihren Instrumenten zu perfektionieren. Der Knackpunkt war immer der Sänger. Kevin, der seit kurzer Zeit auf Anraten Stephans Atem- Intonations- und Gesangsunterricht nimmt, ist so fit, wie noch nie in der Karriere der Onkelz. Seit seinem krassen Entzug, der sich über die Jahre 1994 bis 1997 erstreckte, und währenddessen er lange nicht auf Methadon und andere Gifte verzichten konnte, ist er 1998 über einen längeren Zeitraum clean. Sein Auftreten während der Tour ist noch bis heute legendär: Hünenhaft, schlank, autoritär und bei allerbester Stimme.

Die Setliste ist krass. Das Intro „Matapalo – Parte uno“ und der Opener „Viva los Tioz“ schalten die Ampel auf grün und was folgt, ist eine schweißtreibende, zweieinhalbstündige Abfahrt. Ein Potpourri aus 18 Onkelz Jahren. Dementsprechend wird auch nach der Hälfte der Songs der 1990er Track „10 Jahre“ in „18 Jahre“ umgeändert, und die Band feiert sich selbst. Regen wird das erste (und letzte) Mal während einer Tournee live gespielt. Dieses apokalyptische Endzeitbiest vom Vorgängeralbum „E.I.N.S.“ knallt live alles weg. Weidner übernimmt den Gesang, Kevin kann durchatmen. Ebenfalls ein kleines Highlight der Tour: Während der Zugaben ist die Band komplett in weiß gekleidet.

Es kommt zu unschönen Scharmützeln am Rande der Tour. In Oberhausen fühlen sich einige Glatzen und Hooligans vom Polizeiaufgebot provoziert und randalieren im CentrO, der frisch eröffneten Super Mall im Herzen des Potts. Während der Show hängen ein paar super Schlaumeier Deutschland Fahnen mit markigen Sprüchen in altdeutscher Schrift auf (während des Konzertes spielt parallel die Deutsche Fußballnationalmannschaft gegen die Türkei), die wenig später unter dem Jubel von 10.000 anderen Fans auf „Anraten“ der Band abgehangen werden müssen. Doch das alles konnte noch ohne größere Imageschäden bewältigt werden.

Dann das vorletzte Konzert der Tour. Düsseldorf. Philipshalle. Hoheitsgebiet der Hosen. Selbsternanntes „Reich“ eines damalig stadt- und onkelzbekannten, von der Band verhassten Faschomanagers. Irgendwas liegt in der Luft, und obwohl Thomas Hess mit seiner Security schon seit der letzten Tour aufpasst und auf jeden zweifelhaft aussehenden Konzertbesucher lieber vier Augen richtet, passiert in Düsseldorf der Fascho-Super-GAU:

Durch verschiedenste Umstände funktioniert an diesem Abend die HESSische Nazi-Firewall nicht, und in der Halle finden sich rund 100 bis 200 klar rechtsgesinnte Glatzen und Scheitelträger ein. Die Security ist überfordert, die Band paralysiert. Während sich Hess mit seinen Jungs beratschlagt, provozieren die Spinner den Rest des Publikums, sind stark alkoholisiert und fangen an, zu pöbeln. Unter entblößten Oberkörpern werden Nazi-Tattoos sichtbar, viele Besucher sind abgeschreckt und verlassen die Philipshalle. Hess entscheidet sich, nicht einzugreifen. Das Sicherheitsrisiko sei zu hoch und man könne nicht garantieren, dass man die Faschos ohne Blutvergießen aus der Halle bekommt.

Stephans und Gonzos Mienen verfinstern sich. Sie ziehen „Ohne Mich“ vor, das eigentlich weiter hinten in der Setliste steht und machen ganz klare Ansagen: „Wir wollen mit euch nichts zu tun haben, ist das klar?“ „Verpisst euch ihr Wichser. Ihr habt auf einem Onkelz Konzert nichts verloren!“ „Ihr versaut hier 8.000 Menschen die Laune. Und uns auch. Was soll das?“ Die feistesten unter den angereisten Provokateuren lachen nur und sind sich ihrer Aufmerksamkeit stets bewusst. Der Band sind die Hände gebunden. „Nazis Raus“ schallt es nach jedem Song durch die Düsseldorfer Philipshalle und man hätte sich gewünscht, dass Campino oder einer der anderen harschen Kritiker an jenem Abend zugegen gewesen wäre, um zu sehen, mit welcher Schärfe und mit welch deutlichen Worten sich die Onkelz und der größte Teil ihrer Fans von rechtsaußen abgrenzen. Obwohl eigentlich keiner der Onkelz  mehr Bock auf diese Show hat, spielen sie ihren Stiefel runter. Sie überlegen anfangs noch kurzzeitig, die Show abzubrechen. Doch Stephan, Gonzo und der Rest der Band sind sich einig: Wenn das passiert, eskaliert die Situation. Außerdem: Wie unfair, scheiße und egoistisch wäre es, eine Show diesen rechten Arschlöchern zu überlassen? Das darf nicht passieren, das käme einer Kapitulation vor der Dummheit gleich. Stephan wird sich später, im B.O.S.C. Fanzine, für die Situation entschuldigen. Dafür, dass die Onkelz seiner Meinung nach in Düsseldorf 1998 ihr schlechtestes Konzert aller Zeiten gespielt haben. Dafür, dass sie einer verhältnismäßig kleinen Anzahl Störenfriede eine derartige Aufmerksamkeit geschenkt haben. Und natürlich dafür, dass diese Idioten überhaupt in die Halle kommen konnten.

Nach der letzten Show der Tour, die in Hamburg stattfindet, wird am großen runden Tisch mit allen Gewerken beraten, wie Situation in Düsseldorf, Oberhausen oder Schwerin von vor zwei Jahren in Zukunft vermieden werden können. Hier wird unter anderem die Idee der Tattoo-Kontrollen während der Einlasskontrollen geboren, die bis zum heutigen Tage durchgesetzt wird.

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Stephan im 1Live Interview 1998 zu den Gigs im Ruhrgebiet:

 

Bilder: Tour 1998, Fotos (bis auf ALL AREAS Pass von Edmund Hartsch): Hans-Martin Issler

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Viva los Tioz Tour Oberhausen HM Issler Gonzo Viva los Tioz Tour Oberhausen HM Issler Russell Viva los Tioz Tour Oberhausen HM Issler Band

Viva los Tioz Tour Oberhausen HM Issler Gonzo 2 Viva los Tioz Tour Oberhausen HM Issler Russell 2 Viva los Tioz Tour Oberhausen HM Issler SW

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Tour mit ProPain 

07.10. – Schwerin
09.10. – Bremen
10.10. – Oberhausen / Arena
12.10. – Hannover / Music Hall
13.10. – Kiel / Ostseehalle
15.10. – Kassel / Messehalle 3 + 4
17.10. – Karlsruhe / Schwarzwaldhalle
18.10. – München / Olympiahalle
20.10. – Passau / Nibelungenhalle
21.10. – Klagenfurt / Messehalle
23.10. – Linz / Sporthalle
24.10. – Wiener Neust. / Arena Nova
25.10. – Innsburck / Olympiahalle
27.10. – Augsburg / Prinz Garden
28.10. – Bozen / Stadhalle
30.10. – Straßbourg / Hall Rhenus
31.10. – Saarbrücken / Saarland-Halle
02.11. – Ulm / Donauhalle
03.11. – Frankfurt / Festhalle
05.11. – Erfurt / Thüringenhalle
07.11. – Kreuth / Ostbayernhalle
08.11. – Stuttgart / Schleyerhalle
10.11. – Dortmund / Westfalenhalle
11.11. – Ludwigshafen / Friedrich-Ebert-Halle
12.11. – Düsseldorf / Philipshalle
14.11. – Hamburg / Sporthalle

Setliste Tour 1998:

  • Intro Matapalo – Parte uno
  • Viva los Tioz
  • Terpentin
  • Danket dem Herrn
  • Weit weg
  • Danke für nichts
  • Wir ham`noch lange nicht genug
  • Nichts ist für die Ewigkeit
  • Leere Worte
  • Nur die Besten sterben jung
  • Das Geheimnis meiner Kraft
  • Regen
  • Scheiße passiert
  • 18 Jahre
  • Zu nah an der Wahrheit
  • Stunde des Siegers
  • Ohne mich
  • Gehasst, verdammt, vergöttert
  • Du kannst alles haben
  • Kneipenterroristen
  • Wieder mal `nen Tag verschenkt
  • Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben
  • Auf gute Freunde
  • Zeit zu geh`n
  • Hier sind die Onkelz
  • Kirche
  • Mexico
  • Erinnerung