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Für alle Onkelzfans überraschend, verkünden die Onkelz am 24.Mai 2004 auf ihrer Homepage ihr Ende.

Puh… Das hat gesessen. Dabei fängt das neue Jahr so gut an. Das Management vermeldet sensationellen Kartenabsatz für die im Herbst geplante Deutschlandtournee und muss schon am siebten Januar die Konzerte für Berlin und das Abschlusskonzert in der Colourline Arena Hamburg, geplant für den 5. Oktober, als ausverkauft melden. Kurze Zeit später gibt es auch für die Konzerte in der Frankfurter Festhalle und der Dortmunder Westfalenhalle keine Karten mehr und auch für den Gastauftritt während des für August geplanten Open Air Festivals in Wacken werden die Tickets noch im Winter knapp. Dennoch scheinen die Onkelz mit ihrem kommerziellen Höhepunkt an einem ideellen Endpunkt angekommen zu sein. Man will die Onkelzära auf dem Höhepunkt beenden, ohne zu einer Karikatur seiner selbst zu werden und veröffentlicht hierzu ein Videostatement auf der eigenen Homepage. Das folgende Sudioalbum sei definitiv das letzte Studioalbum der Onkelz und die kommende Tour sei definitiv die letzte Tour heisst es in diesem Statement. Die Fans reagieren enttäuscht und können nicht glauben, was sie hören. Sie spekulieren in den Foren der Band über den Split und wilde Gerüchte machen die Runde, aber die Band ist wie immer fest entschlossen. Sie ist auch dazu entschlossen, ihre eigenen Fans anzulügen. Die wahren Beweggründe für die Auflösung der Band sind nicht die Angst, als „Rock-Opa“ sterben zu wollen, genauso wenig sind alle der Ansicht, dass jeder Onkelz-Song gesungen sei.

Kevin Russell ist der Grund. Seine nicht enden wollende Sucht, seine vielen Therapien und Therapie-Abbrüche, die unzähligen Enttäuschungen und Erwartungen – all diese Dinge summieren sich zu einem Nenner: Es geht nicht und nichts geht mehr. Kurz vor dem Rolling Stones Gig in Hannover im letzten Jahr, noch während der Gesangsstunden mit seiner Gesangslehrerin Amy, wird Kevin nach einem langen Entzug rückfällig und schläft backstage ein. Er muss beinahe auf die Bühne getragen werden, gibt eine desolate Figur ab und ruiniert den Gig. Die Band ist fassungslos und Stephan muss abschalten, nachdenken. Am Ende seiner Gedanken, die er für sich alleine fassen und verarbeiten muss, steht das Ende der Onkelz. Kein Kindermädchen mehr sein. Nicht immer mehr und immer wieder weiter falschen Hoffnungen erliegen. Als er hinter verschlossenen Türen der Band seine Entscheidung mitteilt, ist von einem letzten Album und einer letzten Tour noch keine Rede. Die Wut auf Kevin, die unterschwelligen Spannungen zwischen Stephan und ihm, sie sind zu groß. Eine Tour und ein Album würde nur weiteren Stress bedeuten. Verständlich, dass sich Weidner das nicht weiter antun will. Nach endlosen Diskussionen, an denen auch Matthias Martinsohn teilnimmt, kommt man zu zwei Kompromissen. Erstens: Die Beendigung der Karriere der Onkelz wird zur beschlossenen Sache. Zweitens: Ohne ein letztes Album und eine begleitende Tour abzutreten, käme einem Faustschlag ins Gesicht der Fans gleich. Die Planungen konnten beginnen.

Die Presse nimmt sich des Themas an und berichtet in gewohnter Polemik.  Während die beiden grössten deutschen Rockmagazine, das Rock Hard und der Metal Hammer Titelgeschichten und Sondermeldungen zum Thema herausbringen und mehrfach in Frankfurt zum Interviewtermin auftauchen, bringen die unwichtigeren Magazine, die nicht mehr von ihrer voreingenommenen Haltung abweichen können, kleine polemische Hassmeldungen. So schreibt zum Beispiel Josef Winkler vom Musikexpress: „… Aber heissa! Da kommt die Meldung rein, dass sich die Böhsen Onkelz aufgelöst haben. Wer eine Abführhilfe braucht, gehe einmal und dann nie wieder auf www.onkelz.de und lese das unfassbar schwülstige Statement-Geseiere der Bandmitglieder…“

Für alle, die damals noch zu jung waren, oder gerne in Erinnerungen schwelgen, hier noch einmal die Original-Statements der Onkelz:

Goodbye Onkelz, hello Rest meines Lebens von Stephan

Punkt 1:
Es gibt kein großes Kunstwerk ohne Tragödien.

Wir kündigen und ich entlasse mich! Nicht fristlos und nicht mit sofortiger Wirkung, aber wir läuten das Ende ein. Keine leichte Entscheidung. Nein, die schwerste meines Lebens. Eine, die verdammt weh tut. Eine, die mir mehr als eine Träne abgerungen hat. Etwas woran man sein ganzes Leben gearbeitet hat, beendet man nicht einfach so. Trotzdem sah ich unser Ende mit eindrucksvoller Klarheit auf mich zu kommen. Nach eine endlosen Folge von Tourneen, Hotelzimmern und Aufnahmestudios wird es Zeit für uns, die Stühle hoch zu stellen und den Laden dicht zu machen. Warum, werdet ihr euch fragen? Nun ja, nach dem Stones Konzert im letzten Jahr musste ich mich fragen: „Was soll danach noch kommen?“ Während der Arbeit an „Adios“ stellte ich mir von Lied zu Lied die Frage, können wir das toppen? Können wir da noch einen drauf setzen? Ich glaube, in dieser Konstellation wird es verdammt schwer. Nein, um ehrlich zu sein, ich glaube das wir in dieser Konstellation den Höhepunkt unseres Schaffens erreicht haben und Wiederholungen sind Scheiße. Mit diesem Bewusstsein weiter zu machen, hieße für mich nur noch den „Rahm“ abzuschöpfen und unsere Musik zu einer Ware verkommen zu lassen. Und gut verdrängt heißt für mich nicht halb gewonnen. Ich kann nur machen, was ich fühle und dies ist meine Art, die Dinge zu sehen. Dies ist mein Weg. Ich stehe vor dem Sprung ins kalte Wasser, ich betrete unbekanntes Terrain. Ich weiss, ich werde eine tiefe Leere spüren. Die Lücke, die die Onkelz hinterlassen werden, ist schwer zu füllen. Aber irgendwann muss Schluss sein mit der Abhängigkeit von anderen, und deren Abhängigkeit von mir. Ich versuche nach vorne zu sehen.

Punkt 2.
Mo|ral|phi|lo|so|phie.

Jeder Künstler hat ein persönliches Interesse am eigenen Erfolg. Das ist legitim, wie ich finde. Hat man es einmal geschafft, hält man normalerweise am besten einfach durch, bis alles geregelt und in trockenen Tüchern ist. Weniger wahrscheinlich ist es, dass man den eigenen schrittweisen Niedergang bemerkt. Ich hatte niemals Lust auf die Rolle des Goldesels reduziert zu werden, der meine und die Infrastruktur anderer finanziert. Bei den Onkelz ging es immer um mehr. Um viel mehr. Wer über mehr als zwei Dekaden dermaßen hochtrabende Moralphilosphie wie wir verfasst, der muss sich täglich selbst hinterfragen, ob er seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird. Das tue ich und ich hoffe, die Jungs machen das auch. Die Onkelz, und das war uns schon immer bewusst, haben ein begrenztes Haltbarkeitsdatum. Nicht unsere Musik, sondern im besonderen unsere Inhalte – das, wofür wir seit 24 Jahre stehen. Wir haben mehr als einmal betont, nicht im Onkelzkostüm sterben zu wollen. Dafür gab und gibt es gute Gründe. Zu viele Reunions alter Helden, zu viele Bands, die uns weit über ihren Zenith hinaus mit überflüssigen Platten und peinlichen Konzerten penetrieren. Bands, die ihre Rebellion an der Garderobe der Industrie abgegeben haben, oder verzweifelt ums eigene Überleben kämpfen müssen. Nicht mit mir und der Gedanke so enden zu können, drängte zu penetrant in meine Welt. Wer so konsequent konsequent war, muss es auch bei einer so schweren Entscheidung sein.

Noch fühlen wir den puren, ehrlichen Zorn, der uns immer angetrieben hat und lange bevor jemand auf die Idee kommen könnte uns nahe zu legen aufzuhören, teilen wir euch mit:
Dies ist unser letztes Studio Album und unsere letzte Tournee. Das ist unumstößlich.
Darüber hinaus würden wir uns freuen, 2005 zu unserem 25-jährigen Jubiläum ein Abschiedskonzert geben zu können. Ein Vierteljahrhundert Onkelz, das wäre eine amtliche Hausnummer.
Der Rest verschwindet sowieso in Emotionsnebel und Erschöpfung. Danke Euch allen.

Stephan

Adios von Pe

Liebe Trauernde,

das ist natürlich ein Schock für Euch, eine Tatsache, die wir Onkelz, schon ein paar Wochen länger wissen als Ihr und deshalb mehr oder minder schon einigermaßen verdaut haben. Nichts desto Trotz kommt im nächsten Jahr eine
einschneidende Veränderung auf jeden von uns zu und wie diese aussieht, wird sich erst noch zeigen, deshalb gibt es auch für uns Ungewissheit und damit ein paar Bedenken, vom schweren, schmerzlichen Verlust dieser monumenta- len, spirituellen Institution und der kosmisch auferlegten Bruderschaft, einmal abgesehen; Veränderungen sind aber das natürlichste der Welt und deshalb ist es besser, den Blick nach vorne zu richten. Eins ist sicher, eine Band wie die Onkelz wird es nicht mehr geben und Stephan hat recht, es ist gut, uns in bester onkeliger Erinnerung zu behalten und nicht als alte dahinsiechende Opas, das würde unseren verkörperten Spirit nachhaltig verwässern und der Legende Onkelz nicht gerecht werden. Ihr müsst den Geist jetzt alleine weiter in Euch tragen auch wenn Ihr dabei nur auf die Musik und die Texte hören müsst, die als Vermächtnis von uns an Euch geblieben sind. Zwar wird es keine neuen Studio-Onkelz-Scheiben mehr geben, aber ich denke, dass Ihr bestimmt von dem einen oder anderen von uns noch etwas zu sehen oder zu hören bekommt. Und das beste ist doch, dass alles eins ist, eigentlich waren wir nie weg und werden nie weg sein, weil auf einer gewissen Ebene nichts verschwindet und es dort keine Zeit gibt. Wir alle sind ein und dasselbe Ding. Wir umarmen Euch endlos auf jener Ebene und in dieser bis zum Schluss. Und jetzt lasst uns den Schluss noch mal feiern, dass es qualmt, um allen anderen zu zeigen, wer die geilste Band und die geilsten Fans sind. Wir sehen uns auf den Konzerten!
Viel Spaß auch mit dem neuen Longplayer und der Single, sie sind wirklich noch mal ein richtiger Knaller geworden.

Gruß an Alle,

Pe

200.000 Onkelz von Gonzo

Liebe Leute,

immer wenn ich mir Eure Einträge im Gästebuch durchlese dann rührt es auch ganz kräftig in mir. Ihr sprecht mir aus der Seele. Soviel geht einem im Kopf herum, die Trennung der Band wird von allen Seiten beleuchtet, durchleuchtet, verworfen, neu abgetastet – es hört nie auf. Dauernd ergeben sich neue Aspekte, neue Perspektiven, man kann die Geschichte je nach Tageszeit oder Laune so oder so betrachten.
Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass das Leben seit unserem Entschluss auch für mich/uns alles andere als einfach ist.
Ein Beispiel:
Letzten Donnerstag beendete ich die Gitarrenaufnahmen zum „Adios“- Album, unserem letzten Studioalbum. Stephan und ich standen mit Michael, unserem Freund und Toningenieur, im Regieraum und hörten uns die zuletzt aufgenommene Nummer noch einmal an. Dann sagte Stephan, was mir auch die ganze Zeit im Kopf herumgeisterte: „Das waren deine letzten neuen Noten für die Onkelz.“ Schweigen. Tausend Dinge, die im Kopf und im Bauch und in der Seele Karussell fahren. Puh, verdammt ja, es ist tatsächlich das letzte Album, das wir produzieren, zu dem ich gerade meinen Part beendet habe. Zwei Herzen schlagen in mir: Zum einen der Stolz auf die geleistete Arbeit, auf die wohl besten Songs seit langem – auf puren Rock ´n Roll. Auf den Spaß am Rocken, der sich komischerweise trotz unseres Abschieds einstellte und mich durch die ganze Produktion begleitet hat. Warum waren wir so locker, wie schon lange nicht mehr und so voll positiver Energie? Kam vielleicht so etwas wie ein „jetzt erst recht – und wir sind noch lange nicht tot“-Gefühl auf? Perplex. Zum anderen natürlich das Ende der Band, die Frage nach dem danach. Es geht mir wie Euch, pendeln zwischen Positivem und Negativem.
Dabei gibt es eigentlich keinen Grund lange traurig zu sein. Unser gemeinsamer Spirit kann nicht einfach verschwinden, sich in Luft auflösen, als wäre er nie da gewesen. Auch mit dem Ende der Band nicht. Klar, der Schock sitzt tief und arbeitet täglich weiter in uns, aber er setzt auch neue Ideen in die Welt. Ihr und wir denken über etwas, das schon fast zum alltäglichen Leben gehörte wieder neu nach – und plötzlich tauchen alte, längst im Alltag verloren geglaubte Ideale und Gefühle wieder auf. Aufbruch. Und genau dass ist der Spirit von dem ich hier spreche und der eigentlich niemals enden wird.
Einmal Onkel – immer Onkel. Es ist schön zu erleben, dass unsere Einstellung auch von so vielen anderen verstanden und geteilt wird. Dass es ein Leben neben den Mainstream und der Normalität gibt. Gerade auch in Deutschland. Dass sich nicht jeder von irgendwelchen Konsumstrategen und Superschlauen an der Nase herumführen lässt – und schon gar nicht der lauteste Chor der Welt!
Und wer weiß, vielleicht kommt ja in Zukunft auch noch das ein oder andere neue von einem der Bandmitglieder? Bestimmt.
In diesen Sinn kann die Tour eigentlich nur der absolute Wahnsinn werden. Unvorstellbar. Ein Meer von Gefühlen und Gefühlsausbrüchen. Mann, die Gänsehaut läuft mir jetzt schon den Rücken runter. Das werden Wochen im Ausnahmezustand für uns alle.
Und mit „Alle“ meine ich ca. 200.000 Onkelz!
See You All!

GONZO

NICHTS IST FÜR DIE EWIGKEIT… von Kevin

Hey Leute! Ich schliesse mich meinen Band-Kollegen an. Alles hat ein begrenztes Haltbarkeitsdatum. So auch wir. Das heißt nun nicht, dass wir in der Ecke liegen und vor uns hinvegetieren und vielleicht schon verschimmeln. Jeder aus der Band hat sich irgendwo weiterentwickelt. Und da es noch ein Leben neben der Band gibt, haben Stephan, Gonzo, Pe und ich eigene Pläne.

Wir haben uns entschlossen aufzuhören, wenn alles am geilsten ist. Dieser Zeitpunkt ist nun da – es ist Zeit zu gehen. Aber noch nicht endgültig. Mit der neuen Single und dem Album werden wir Euch bestimmt nicht enttäuschen. Und auf der Tour lassen wir es dann zusammen alle noch einmal so richtig krachen! WAS HABT IHR AUCH ANDERES ERWARTET? Ihr seht, es wird auch in der Zukunft noch einiges zu hören und auch zu sehen geben. Wenn wir jetzt zurücktreten, existieren die Onkelz in Euch weiter. Selbst dann, wenn wir längst zu Staub verfallen sind, werden für Euch die Lieder immer da sein.

Lange haben wir Euch gezeigt wie’s geht. Zeigt, was Ihr gelernt habt! Jetzt seid Ihr dran!!!

Ciao Leute, macht’s gut und bleibt weiter böhse. Ihr seid echt die Geilsten!

Jetzt freuen wir uns erst mal auf die Tour! Wir sehen uns!

Adios – Euer Kevin

Die Abschiedsinterviews aus dem Juli 2004: