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Für die Fans überraschend, finden sie ein lang geschriebenes Plädoyer für die Onkelz aus Stephans Feder auf der Webseite der Band. Weidner, der kann 2011 wieder seinen Frieden mit seiner ehemaligen Band machen. Er fühlt keinen Zorn mehr, keine Wut. Er beginnt, zu verstehen. Und die Medaillien, auch Gonzos und seine, von mehreren Seiten zu sehen.

Hallo Freunde

Ich habe mich lange nicht mehr zum Thema „Onkelz“ geäußert. Was sollte man auch schreiben, wenn keiner die Wahrheit hören wollte? Wenn wir aus gutem Grund einen Teil davon nicht preisgeben wollten und sogar ich selbst ein Stück weit vor der Vergangenheit geflohen bin?
Seit einiger Zeit aber drängen sich die Onkelz wieder zurück in mein Gefühlsregister. Diese Gedanken muss ich einfach mit euch teilen. Warum das und warum jetzt? Weil ich spüre, dass ich jetzt in der Lage dazu bin. Ich kann jetzt ohne Ressentiments, ohne „wenn und aber“ auf das Geschehene zurückblicken. Darüber hinaus kann ich wieder fühlen, wie besonders die Onkelz waren und für mich immer noch sind. Ja, ich kann sogar wieder Onkelz-Songs hören! Ich stelle fest, dass die Tränen getrocknet und die Wunden geleckt sind. Zumindest was mich betrifft. Ich hatte ausreichend Zeit, meinen Frieden mit allen und mit allem zu machen und murmle mantramäßig vor mich her, dass man alles überleben kann, nur nicht den Tod. Ich weiß das, weil ich nicht mehr unweigerlich den Kopf einziehe und in Deckung gehe, wenn das Thema Onkelz aufkommt. Ich lernte demütig meine Lektion in „Verzeihen“. Dazu setzte ich mich immer und immer wieder auf die Stühle der anderen. Auch auf Deinen! Was in den letzten Jahren passiert ist, war schwer zu verarbeiten. Das gebe ich zu. Aber es ist möglich, das weiß ich, diene ich mir selbst doch gerade als Beispiel. Und das ist auch der eigentliche Grund für diese Zeilen.

Traurig beobachte ich nun seit geraumer Zeit, wohin eure und unsere Reise geht. Eine Armee einst unglaublich treuer Fans spaltet sich in Kevin-, Gonzo- oder Stephan-Lager, in Jung- und in Altfans, in Onkelz-Gegner und die Ewig-Treuen. Ich kann es euch nicht einmal verübeln, denn schließlich trugen wir, die Onkelz, einen entscheidenden Teil dazu bei. Wir waren zugegebenermaßen nicht gerade leuchtende Vorbilder. Die Querelen zwischen Gonzo und mir, Kevins Unfall und möglicherweise mangelnde Informationen eigneten sich bestens dazu, wild zu spekulieren und der eigenen Fantasie freien Lauf zu lassen. Und wir haben zugeschaut, waren zu beschäftigt mit der eigenen Verarbeitung und wohl auch zu paralysiert, um in dieser Zeit, die richtigen Worte zu finden. Diese Kritik müssen wir uns also gefallen lassen. Nur die Dimension, die eure Kritik angenommen hat, die Dynamik, die sie enthält, der gilt es nun Einhalt zu gebieten. Steht sie meiner Ansicht nach in keinem Verhältnis zu dem, was man uns als Band vorwerfen kann.

So sehr ich euren Schmerz, eure Wut und die aufkommenden Zweifel nachvollziehen kann: Ich bin nicht länger bereit mit anzusehen, wie wir uns weiter entzweien!
Bedenkt: Klammern wir Kevins Unfall einmal aus und setzen „25 Jahre Onkelz“ in Relation zu den Querelen, die am Ende stattfanden – dann sind die Streitigkeiten, die übrigens erst nach der letzten Tour und kurz vor dem Lausitzring stattfanden, und zudem ohnehin nur Gonzo und mich betrafen, allenfalls eine Randnotiz.
Warum also die ganze Wallung? Selbst wenn unsere möglicherweise aufgeblähten Egos das Ende der Onkelz nicht verkraften konnten, oder wenn ein Teil der Band die Konsequenzen und die Leere nicht kompensieren und ertragen konnte, und mancher sogar die Notwendigkeit seiner eigenen Entscheidung plötzlich in Frage stellte, was soll’s? Scheiß drauf! Wollen wir deswegen 25 unglaubliche Jahre mit den Onkelz den Bach runter gehen lassen? 25 Jahre? Mann, das ist sehr viel länger, als die meisten Ehen überdauern. Egal, was gesagt oder nicht gesagt wurde, oder wie ungerecht man das alles empfand. Mir ist es das nicht wert. Ich beschließe hier und heute, mir das nicht länger anzutun.

Es mag vielleicht nicht passend sein, wenn es um die Onkelz geht, aber erwähnen möchte ich es trotzdem: Wisst ihr eigentlich, wie viele eurer Lieblingsbands sich untereinander nicht ausstehen können? Und das sogar zu ihren Lebzeiten! Mir fallen da spontan die von mir doch sehr geliebten „Ramones“ ein. Die haben 10 Jahre lang nicht mal mehr miteinander geredet. Oder nehmen wir die „Sex Pistols“! Steve Jones hat Johnny Rotten und Sid Vicious gehasst. Denkt an Mick Jagger und Keith Richards, an „Metallica“ und, und, und…. Braucht man wie ein Loch im Kopf, ist schon klar, aber es passiert nun mal. Auf alle Fälle besser, es knallt am Ende und nicht schon während man gemeinsam eine Bühne teilt, und dann heucheln und vortäuschen muss, da stünde eine Gang, die zusammenhält. Das haben wir nie getan. Die Onkelz haben uns immer geeint, waren immer eine Konstante und ein unsichtbares Band in unserem Leben. Oder glaubt ihr, wir hätten „Auf gute Freunde“ schreiben können, wenn es nicht so gewesen wäre? Nicht wirklich, oder?

Aus heutiger Sicht ist all das, was passierte, für mich sogar nachvollziehbar. Vielleicht nicht onkelz-like, aber menschlich. Bedenkt man die Tragweite und die Schwere der Entscheidung, die wir damals zu treffen hatten, so fällt es heute vielleicht leichter, es zu verstehen. Das Loch, in das wir fielen, war ganz offensichtlich selbst für uns zu tief und zu dunkel. Heute weiß ich, dass dort, wo wir glauben stark zu sein, unsere verletzlichste Stelle liegt. Euch muss es ähnlich ergangen sein. Ich habe eure Gesichter während des letzten Akkords noch vor Augen. Das waren nicht die Augen von Menschen, deren Lieblingsband ihr letztes Lied spielt. Nein, das war mehr: Ich sah da Verzweiflung und Trauer und Leere. Als habe man einen geliebten Menschen verloren. Eure Gesten, eure Gesänge, die „Onkelz“-Chöre und „Mexiko“-Rufe, das war immer schon Magie. Als würde das nicht reichen, kamen am Lausitzring eure Tränen noch dazu. UND es kam hinzu, dass ihr euch – was für eine große Geste der Ehrerbietung – dass 100.000 Menschen vor uns niederknieten! Das muss man erst einmal verdauen. Das hat und das wird auch keine Band jemals wieder erleben dürfen. Was für ein ungeheuerlicher Ausdruck von Respekt und was für eine Dankes-Geste der Verbundenheit war das denn? Das zeigt uns doch mehr als deutlich, welch tiefe Beziehung wir zueinander hatten und hoffentlich immer noch haben. Ich erinnere mich und es tut wieder gut.

Fehlt dem Prozess der Verarbeitung die Kraft und die Größe, so müssen Feindbilder her. Ob, wie in eurem Fall geschehen, ich das war, oder ob sich eure Wut gegen die ganze Band richtete spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Über unseren Beitrag zur Situation bin ich mir also einigermaßen im Klaren. Aber was ist mit euch? Wie erklärt ihr euch euer momentanes Verhalten? Wie erklärt ihr euch, dass ihr gerade im Begriff seid, euch immer tiefer zu spalten, die Musik, die euch so lange heilig war und über mehr als zwei Jahrzehnte begleitet hat, zu verlieren? Und wollt ihr das überhaupt? Ich kann mir viele eurer Reaktionen erklären und verurteile keine, egal, als wie unfair ich sie teilweise empfand. Wenn ich selbst wanke, im Begriff bin, meinen Glauben an etwas, vielleicht nicht zu verlieren, aber zumindest nicht mehr fühlen kann, wie kann ich dann erwarten, dass ihr es tut? Dieser teilweise negativen Energie, also meinem eigenen ungewollten Beitrag zur momentanen Situation, habe ich endlich wieder etwas entgegenzusetzten. Ich verspüre den Drang, aufzuräumen und wieder anzugreifen!

Dass Kevins Unfall unseren Gegnern und Kritikern eine geladene Waffe in die Hand gab, die sie dann nur noch abdrücken mussten und wir als Band in Sippenhaft genommen wurden ist nur allzu verständlich. Darauf hatten alle gewartet. Schließlich will niemand dein Blut, sondern sie wollen deine Tränen sehen. Und die gab es. Die Hände durften sich gerieben, und die Schadenfreude offen zur Schau gestellt werden. Ja, Kevins Verhalten war schockierend und gab berechtigten Anlass verständnislos den Kopf zu schütteln und manchmal fühlte es sich an, als hätten ich oder die ganze Band im Auto gesessen. Trotzdem erspare ich uns an dieser Stelle eine Moralpredigt. Ich weiß, dass es Fehler gibt, für die man ein Leben lang bezahlt. Mir hat es geholfen, zu verzeihen, auch wenn Vergebung für mich nicht gleichzeitig bedeutet, alles vergessen zu können, oder gar Kevins Tat zu rechtfertigen.

Elend steckt an und Hoffnungslosigkeit ist wie eine Seuche. Zeit für einen Tapetenwechsel. Ich finde, es wurde genug geseufzt, gejammert, bedauert und melancholiert. Wischen wir uns endlich die Tränen aus dem Gesicht und biegen das Ding gerade. Wer, wenn nicht wir? Wir alle dürfen uns gerne noch kurz schämen, aber das war’s dann auch! OK?

Das Phänomen Onkelz wird einzigartig bleiben! Die Freude darüber, dass es uns gab, wird überwiegen. Die Streitigkeiten, Auseinandersetzungen und Ego-Reiberein am Ende werden doch nicht 25 Jahre ehrlichster und glaubwürdigster Arbeit zunichte machen, uns nicht nehmen können, wofür wir so lange gekämpft und gestanden haben. Fucking Böhse Onkelz, Mann!
Der Name ist Legende und Hunderttausende da draußen tragen unsere Fackel. Wir haben Geschichte geschrieben! Abseits des beschissenen Mainstreams ging es aus der Gosse in die größten Hallen des Landes. Wir ließen Herzen höher schlagen, und gaben unangepasstem Straßenkrach einen Namen. Denen, deren sonstige Helden, von den Medien domestiziert und vom Erfolg weichgespült, ihre Ideale verrieten, gaben wir den Glauben an den Rock’n’Roll zurück . Wir sind nicht nur eine Band gewesen, sondern eine Institution, ein verdammter Weg zu leben.
Von der eigenen Euphorie jetzt mitgerissen behaupte ich weiter: Dass wir den Weg ebneten für harten, kompromisslosen, ehrlichen deutschen Rock. Wir haben inspiriert und geprägt. Ich will nicht überheblich klingen, aber in unsere Fußstapfen treten heute junge Bands, die mit ähnlichem Sound die Charts erobern. Wir haben ein eigenes Genre, eine eigene Musikrichtung kreiert und etabliert. Musik, mit der man früher keinen Fuß vor den anderen bekommen hätte. Das darf die Brust ruhig ein wenig anschwellen lassen.

Alles fischt heutzutage ungeniert in Onkelz-Fan-Gewässern. Die Lücke, die wir hinterlassen haben, ist riesig. Das haben selbst die großen Plattenfirmen gepeilt und statten demnach neuerdings alles, was nach Onkelz klingt, mit Major Deals aus. Hunderte Bands in diesem Land zollen uns Respekt. Metal-, Punk- und Rock-Bands. Rapper und selbst DJ’s und Techno Produzenten bedienen sich unserer Songs und Texte. Unser Sound wird kopiert, unser Logo ziert Autos, Wände und eure Körper tausendfach. Es finden jedes Wochenende dutzende Onkelz-Partys statt. Konzerte und Festivals mit Bands, die unsere Songs covern sprengen die 20.000er Marken. Bei Spielen der Nationalmannschaft singt ihr unsere Lieder und wir spielten das größte Konzert einer deutschen Band auf deutschem Boden. Daran dürfen wir uns gerne erinnern und zukünftig der Hinterlassenschaft der Onkelz wieder gerecht werden. Einem legendären Erbe, wie ich finde. Erinnern wir uns: An all die Kämpfe, Diskussionen und Boykotte, an das Stigma Onkel oder Onkelz-Fan gewesen zu sein. Erinnern wir uns daran, dass wir gemeinsam, allen Vorurteilen und Widerständen zum Trotz, die Onkelz geliebt, verteidigt und groß gemacht haben.

Hey, hatte es etwas ähnliches jemals zuvor gegeben? Nein! Und wird es auch nicht. Nichts kommt dem Gefühl, das wir gemeinsam auf Konzerten erzeugen konnten, auch nur annähernd nahe. Keine Band hatte jemals Fans, wie ihr es wart, nie eine solch treue und verschworene Fangemeinschaft. Keine Band hat es je geschafft, dass man sich derart mit ihr identifiziert und verbündet. Wir haben uns gegenseitig so viel gegeben, sind zusammen durch dick und dünn gegangen, haben uns gegenseitig erzogen und gehalten, zusammen geweint und gefeiert. Wir waren echt, aber wir waren nie unverwundbare Superhelden. Wir schlugen ein neues Kapitel in der Geschichte der Musik auf. Gehasst und gefürchtet, verbannt und stigmatisiert. Ein Phänomen!

Also, was wollt ihr eigentlich von uns? Gonzo, Pe, Kevin und ich werden immer zu und für die Onkelz stehen, auch wenn wir mittlerweile unterschiedliche musikalische Wege gehen. Zu groß ist das, was wir mit den Onkelz erreicht haben. Zu lang und intensiv war die Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Jeder von uns vieren kann sich bis zum heutigen Tag 100%ig mit den Onkelz identifizieren und hat kein Problem damit, auf ewig ein Ex-Onkel zu sein. Ich persönlich fühle mich beschenkt, dass ich Teil des Ganzen sein durfte, und ich weiß, dass es den anderen genauso geht.

Auch wenn noch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen sein kann, sage ich: „Das wird schon wieder.“ Was auch immer dazu geführt hat, dass wir aneinander geraten sind, wird irgendwann abgehakt und nur noch als Randnotiz zur Kenntnis genommen werden.

Obwohl dies ein flammendes Plädoyer für die Onkelz ist, denke ich nicht an eine Reunion. Eine Wiedervereinigung im Geiste darf es aber schon sein. Holen wir uns zurück, was uns gehört. Lasst uns zusammen feiern!

Unser Dank gilt euch.

Stephan