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Zwölf Songs finden schlussendlich ihren Weg auf „Memento“, die sozusagen die Quintessenz all dessen sind, was die Onkelz im Jahre 2016 ausmacht. Adios, „Adios“ – hier kommt „Memento“!

Sieht man sich die vielen Dinge an, die nach 2004 passiert sind, dann war das Erscheinen dieses Albums; seine bloße Existenz, weniger als eine Wunschvorstellung. Dass es doch so ist und Memento existiert, ist nicht dem Zufall, sondern der Verkettung vieler positiver Ereignisse zu verdanken. Dass Memento so eingeschlagen hat, aus dem Stand natürlich von null auf eins in Deutschland, Österreich und der Schweiz chartet, kommt nicht von ungefähr. Das Album klingt so rockig, frech, rotzig aber auch frisch, wie zu Letzt die zu diesem Zeitpunkt zwanzig Jahre zurückliegende Veröffentlichung von „E.I.N.S.“, deren Jubiläum man ebenfalls mit einem kurzen Newseintrag auf onkelz.de würdigt. Nur folgerichtig, dass Memento wenige Wochen später mit Platin für über 200.000 verkaufte Einheiten veredelt wird.

Das Erfolgsrezept, so denn es denn eins geben könnte? Nun, Kevins Stimme ist präsent, er singt und er hat wieder dieses angekotzte Wütendsein in der Stimme, das viele Fans vermisst haben. Die Texte sind – genau wie die Kompositionen – so weit, stilistisch breit gefächert und dennoch schon nach den ersten Tönen so sehr „Onkelz“, wie auf noch keinem Böhse Onkelz-Album zuvor. Gerne wird auch mal eine grobe Schelle verteilt. Die ganze Palette des „onkligen“- Universums wird aufgefahren. Pathos, der nicht mehr bierernst, auch nicht augenzwinkernd, sondern schwer episch daherkommt („Gott hat ein Problem“, „Jeder kriegt was er verdient“) ist genauso vertreten, wie die lauten Töne in den großen Themen des Zusammenlebens („Markt und Moral“, „Irgendwas für nichts“) und die lauten Töne in den kleinen Themen der Persönlichkeit („Nach allen Regeln der Sucht“, „Es ist sinnlos mit sich selbst zu spaßen“).

In „Der Junge mit dem Schwefelholz“ wird bluesig und dann diabolisch rockend erzählt, wie ein junger Typ irgendwo in Skandinavien erst seine Priester-Familie und dann deren Kirche in Flammen aufgehen lässt. Das Teil ist nicht weniger als ein Meisterwerk in textlicher und kompositorischer Hinsicht. „Wo auch immer wir stehen“ ist der erste Song, der gemeinsam von Stephan Weidner und Matt „Gonzo“ Roehr getextet und ganz alleine von Matt Roehr komponiert wurde. Eine von Kevin wunderschön vorgetragene Ballade, deren tieferer Sinn sich einem erst nach mehrmaligen Hören erschließen wird.

Die Band ist eine echte Einheit. Die „Bruderschaft des Schmerzes“ ist zurück. Stephan Weidner, Matt „Gonzo“ Roehr, Kevin Russell und Peter „Pe“ Schorowsky sind 2016 nach wie vor alle Regeln des Marktes egal. Keiner der zwölf Songs will anbiedern oder geht auf Nummer sicher. Das Album erscheint nicht in fünf verschiedenen Konfektionen, die mit Gürtelschnallen, Fahnen und ähnlichem Kokolores um mehr Umsatz buhlen wollen, sondern nur in einer einzigen Variante. Und die hat es in sich. Kein Videodreh im Vorfeld, keine Single, keine Interviews in großen Tageszeitungen. Einzig die Fachpresse darf über die Entstehung von Memento berichten. Gelebte Nicht-Kommerzialität und dennoch toppen die Vorbestellungen bei den großen Online-Versandhäusern alle musikalischen Acts. Das ist vielleicht das größte Kompliment an die knapp sechzig Minuten Musik.

Auch wenn es schon erwähnt wurde, so zieht es sich dennoch bis zum letzten Take durch die komplette Produktion: Das Gefühl des Arbeitens auf einer Augenhöhe. Jeder der vier Onkelz hat seinen Teil zum Fertigwerden und Gelingen bis zum Ende durchgehalten und beigetragen. Kevin zeichnet von Hand ein wunderschönes Cover-Artwork. Eine kleine, aber feine Reminiszenz an die allererste Onkelz-Single „Idiot“, von der 1983 ganze drei Exemplare gepresst wurden, und dessen Cover wiederum Elton Johns „Saturday Night`s Alright for Fighting“ entliehen war. „Markt und Moral“, das wohl fetteste Groove-Biest, das die Band bis heute geschrieben hat, geht auf Pes Kappe. Matt „Gonzo“ Roehr feuert ein One-Take Solo nach dem anderen raus und Stephan ist beim Bassspiel und Texten über sich hinausgewachsen, auch wenn der Weg bis zum Master das härteste Stück Songwriting-Arbeit war, das die Onkelz bis heute kannten. Auch hier ist Memento extrem. Aufgenommen in Dublin, auf Ibiza und in den legendären WireWorld Studios von Michael Wagener in Nashville, Tennessee, ist Memento genau das Werk der Onkelz, das es, wenn die Sonne des Lebens etwas ungünstiger gestanden hätte, niemals gegeben hätte.

Tracklisting Memento:

  • Gott hat ein Problem
  • Frei
  • Markt und Moral
  • Jeder kriegt was er verdient
  • Mach`s dir selbst
  • Irgendwas für nichts
  • Wo auch immer wir stehen
  • Es ist sinnlos mit sich selbst zu spaßen
  • Der Junge mit dem Schwefelholz
  • Nach allen Regeln der Sucht
  • Auf die Freundschaft
  • 52 Wochen